
Der neue ISTQB-Vorsitzende Yaron Tsubery über Testprofis, das Wachstum des Verbands und die IT-Welt im Jahr 2020
Herr Tsubery, noch einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl zum ISTQB-Präsidenten! Wie haben Sie die Mitgliederversammlung von Ihren Stärken überzeugt?
Ich bin ja kein besonders neues Gesicht mehr im ISTQB, sondern verfüge über eine langjährige Erfahrung sowohl im ISTQB als auch im Israeli Testing Board. Da musste ich gar nicht so sehr die Werbetrommel rühren, weil mich die anderen ISTQB-Mitglieder über die gemeinsame Arbeit bereits gut kennen. Bei meiner Kandidatur haben mich einige Kollegen sehr unterstützt und gut beraten.
Was hat Sie motiviert, für den Vorsitz zu kandidieren?
Meine Motivation beim ISTQB ist letztlich dieselbe wie auch auf nationaler Ebene: Wie kann die Community der Software-Tester national als auch weltweit gestärkt werden? Und wie treiben wir die Professionalität unseres Berufs weiter voran? Das geht nur über eine starke Dachorganisation wie das ISTQB und die nationalen Boards. Kooperation ist das A und O für den Erfolg unserer Bemühungen, das Software-Testen als eine weltweit anerkannte, professionelle und standardisierte Aufgabe zu etablieren und zu stärken. Dafür werde ich mich weiter einsetzen.
Wie kamen Sie zum ISQTB?
Das Israeli Testing Board gehörte damals zusammen mit dem Indian Testing Board zu den ersten ISTQB-Mitgliedern. Wir waren das sechzehnte Land, das aufgenommen wurde. Ich verfüge also über eine langjährige Erfahrung im Verband. Von Anfang an stand bei unserer Arbeit der Erfahrungsaustausch im Mittelpunkt. Ich persönlich startete mit dem „Foundation Level“, an dessen Etablierung ich aktiv mitarbeitete. Später stieß ich zur Working Party „Processes“, die ich bis heute als Chairman leite.
Wieso gerade diese Arbeitsgruppe?
Weil es auch hier wieder um die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Beteiligten geht. Das Miteinander der zum Teil sehr unterschiedlichen Testing Boards kann nur funktionieren, wenn entsprechend gute Prozesse zur Verfügung stehen. Durch die Arbeit in dieser Working Party lernte ich das ISTQB kennen und auch einige meiner engsten Freunde. Wir waren und sind ja gewissermaßen zuständig dafür, das Arbeiten all der unterschiedlichen Gliederungen miteinander zu harmonisieren. Dies führte auch dazu, dass ich ohne Ausnahme an allen halbjährlichen ISTQB-Meetings beteiligt war – mit einer Ausnahme, nämlich jenem Treffen, auf dem ich zum Präsidenten gewählt wurde. (Lacht) Ich interpretiere das mal als Vertrauensvorschuss.
Können Sie aus Israel mit der dort sehr starken IT-Industrie besondere Erfahrungen in die Tätigkeit Ihres Amts einbringen?
In Israel ist die Situation ähnlich wie in anderen Ländern. Als wir unser nationales Testing Board gründeten, war das Thema „Software-Testen“ als solches kaum präsent. Da haben wir in den vergangenen Jahren eine deutliche Veränderung zum Besseren erlebt – sowohl in Israel, als auch weltweit. Hier wie da musste eine eigenständige und standardisierte Testerausbildung erst einmal eingeführt werden und Fuß fassen.
Wie sieht es heute um die Akzeptanz der Ausbildung aus?
Das Feedback vieler Unternehmen zeigt uns, dass sie schätzen, dass es nun dezidierte Schulungen gibt, sowie einen transparenten und verlässlichen Lehrplan, der einen professionellen Ansatz des Software-Testens sicherstellt. Darüber hinaus erhalten die von uns Ausgebildeten einen deutlichen Karrierevorteil. Denn inzwischen schauen IT- und Projektleiter gezielt nach Mitarbeitern, die über eine ISTQB-konforme Testerausbildung verfügen. Sie verbinden mit ihr Professionalität in Sachen Qualitätssicherung. Ich bin froh, feststellen zu können: Der ISTQB-Standard hat sich als Referenzmodell durchgesetzt.
Über welche Berufserfahrung verfügen Sie persönlich?
Ich bin seit mehr als acht Jahren Director of Quality Assurance & Testing bei Comverse, einem international tätigen Software- und Systemproduzenten, der eines seiner Hauptstandbeine in Israel besitzt.
Wie sehen Ihre Pläne für das ISTQB aus?
Natürlich gilt es vor allem, die Rolle des ISTQB als Inbegriff für eine unabhängige und professionelle Ausbildung für das Software-Testen weltweit weiter auszubauen. Dabei soll das ISTQB zu einem Vorbild internationaler Kooperation werden. Das beinhaltet derzeit vor allem zwei Punkte: Wir stehen einerseits vor der Aufgabe, unsere gemeinsame Strategie weiterzuentwickeln, um die Stärkung und Verbesserung unseres Ausbildungsschemas kontinuierlich zu sichern. Andererseits wollen wir vor allem das Marketing für die Organisation sowie deren Angebot ausweiten und verbessern.
Was meinen Sie konkret, wenn Sie von einer Weiterentwicklung der ISTQB-Strategie sprechen?
Im Hinblick auf unsere langfristige Strategie gilt es nun, nach dem Foundation und Advanced Level auch den Expert Level der Certified-Tester-Ausbildung zu etablieren. Mehr noch, wir sollten auch schon fragen: Was kommt als nächstes? Wird es einen weiteren, noch höheren als den Expert Level geben oder legen wir den Schwerpunkt mehr auf die Entwicklung von Ausbildungen für spezielle Testaufgaben? Diese Entscheidungen stehen jetzt an.
Für das internationale Marketing haben wir nun eine Koordinatorin für die internationale Ebene, von der aus wir übergreifende Initiativen ergreifen können. Als erster Punkt auf dieser Agenda steht unser Auftritt: Wie können wir das Gesicht des ISTQB länderübergreifend unverwechselbar und einheitlich gestalten? Wie können wir die zahlreichen Marketing-Erfolge, welche die nationalen Boards erreicht haben, am besten bündeln? Für diese Aufgaben haben wir nun erstmals ein eigenes Budget zur Verfügung gestellt.
Wird auch die Expansion des ISTQB durch neue nationale Boards weitergehen?
Ja, auch weiterhin stoßen viele neue nationale Testing Boards zu uns. Das zeigt die Stärke der Idee, die hinter dem ISTQB steht, ist aber zugleich auch eine Verpflichtung: Wir müssen unsere internen Prozesse weiter verbessern – etwa beim Service für die einzelnen nationalen Boards. Darüber hinaus finde ich es wichtig, dass wir die Kooperation mit anderen Organisationen wie zum Beispiel der International Organization for Standardization (ISO) ausbauen. Solche Partnerschaften eröffnen zusätzliche Kanäle, über die wir unser Know-how weiter in die Breite tragen können. Und umgekehrt profitieren wir natürlich auch selbst vom Know-how dieser Partner.
Wie wollen Sie zusätzliche Adressaten vom Nutzen der Certified-Tester-Schulungen überzeugen?
Indem wir uns als ISTQB auch übergeordneten wirtschaftlichen Themen stellen. Nehmen Sie etwa die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise: Hier können wir deutlich machen, dass Unternehmen, die in der Krise in zukunftsorientierte Fort- und Ausbildungen investieren, in wirtschaftlich besseren Zeiten einen Wettbewerbsvorteil gewonnen haben. Denn Teststandards und -schulungen tragen dazu bei, die Software-Produktion und damit die Wertschöpfung in Unternehmen generell effizienter und kostengünstiger zu machen. Ich werde mich deshalb dafür einsetzen, dass wir unser wirtschaftliches Umfeld in dieser Hinsicht regelmäßig analysieren. Was ist der jeweils konkrete Bedarf von Seiten des Marktes?
Würden Sie zum Abschluss unseres Gesprächs einen Blick in die Glaskugel werfen? Wie wird der Beruf des Software-Testers im Jahr 2020 aussehen?
Der Trend geht eindeutig in Richtung Automatisierung. Software-Tester werden also immer mehr zu Testingenieuren. Sie testen immer weniger selbst händisch, sondern wissen, wie man möglichst schlanke und weitgehend selbstlaufende Testprozesse in Gang setzt. Auch 2020 werden Software-Tester noch nicht, wie etwa Tischler, auf Jahrhunderte alte Traditionen, Know-how und Standards zurückgreifen können. Aber in zehn Jahren werden wir schon wieder ein gutes Stück in diese Richtung vorangekommen sein. Zugleich schreitet die Internationalisierung des ISTQB- Standards weiter voran. Die Testvorgehen werden sich weiter angeglichen und verbreitet haben. Und last, but not least, werden wir eine größere Anzahl unterschiedlicher Testberufe haben: zum Beispiel hier der Testmanager, dort der Spezialist für Security Tests.
Herr Tsubery, herzlichen Dank für das Gespräch.